Jedem Anfang wohnt ein Ende inne

Normalerweise sind wenigsten Anfänge gut. Laienhafte Hobby – und Amateur-Schreiberlinge wie ich haben Schubladen voller phantastischer Anfänge zuhause, geschützt vor jeden Kritikeraugen. Romanhelden und ausgetüfftelte Plots geben sich da die Kante.

Bei mir liegt da auch was mit Bestsellerpotential. Eine Biographie: Kants Tante, die ich mal kannte.

Nein. Das war gelogen und ein Beweis dafür, dass Anfänge nicht immer besser sind als das, was kommt. Meine Anfänge sind meistens ganz schön blöde. Anfängerglück ist Zufall und nicht Glückseligkeit, lies Aristoteles, dann weißt du Bescheid. Der Reim macht den Anfang nicht besser.

Wie lang ist ein Anfang ein Anfang? Wann der Beginn von etwas? Ist ja auch egal. Oft wünsche ich mir, der Anfang wäre nie da gewesen.

Letztens. Ich stehe an der Kasse eines beliebigen deutschen Supermarkts. Es ist so diese Zeit, in der die Langweile dich auf die dunkle Seite der Macht zieht. Da lauern normalerweise Kekse, an der Supermarktkasse allerdings in Form von Kaugummi. Vielleicht ist das der Moment, in dem ich die Schuld an dem, was folgt, der Kaugummi-Industrie in die Schuhe schieben sollte. Ist doch bescheuert, dass jede Marke ihren Beißspaß in XXL-Boxen packt.
Die bewusste Käuferin vergleicht. Ich nehme also die erste XXL-Box in die Hand. Airwaves. Mit dem Finger fahre ich über den Verschluss. Fühlt sich gut an. Ich schüttele. Guter Sound. Die können was.
Wie ist es mit Orbit? Hab dich nicht so, Pani A, schnapp sie dir, pack sie an – aber haptisch interessierte mich das plötzlich gar nicht mehr so. Der Klang hatte mich gepackt. Wie klingen Kaugummis in ungekautem Zustand? Hatte das schon jemand erforscht?
Hibbelig nehme ich die nächste Dose, schaue gar nicht mehr aufs Etikett. Ich schließe die Augen, so kann ich mich ganz auf das Rasseln konzentrieren.
Wahnsinnig schüttele ich mich durch die Kaugummiboxen. Die anstehende Schlange drängt von hinten, ich lasse sie vorüberziehen. Nichts kann mich und mein Kaugummiklangexperiment aufhalten.
Da stehst du plötzlich vor mir und zupfst an meinem Hosenbein.
„Machst’n da?“
Mein Schüttelarm sinkt, Ruhe kehrt ein, wir gucken uns an. Dein Mund strotzt schokovermiert. Schöne Schnute. Intuitiv greife ich zu Zahnpflegekaugummis.
„Was machst denn du“, korrigiere ich und schäme mich. Ich hätte Klugscheißerkaugummis in beiden Nasenlöchern verdient.
„Hä?“, dein Gesicht ist ein schokoladiges Fragezeichen.
„Es heißt: Was machst denn du. Oder, was machst du da“, eine klügere Antwort wäre gewesen: „Is‘ egal.“, aber so habe ich mir das „Du bis‘ ja voll blöd!“ meines kleinen Schokokollegen verdient.
Mein „Hier! Nimm Extra, die sind soundmäßig unübertroffen!“ hat er zum Glück nicht gehört.

Bei der ersten Kaugummibox hätte ich aufhören sollen.
„Pani A, nein – so was machen wir nicht!“, und die erste Person Plural wäre angemessen gewesen. Manchmal braucht es mehrere, um zu erkennen, was richtig und was falsch ist.
Und dieses Klugscheißen? Wann hat das angefangen?
Evolutionsmäßig kann das ja wohl keinen sonderlichen Nutzen haben. Stopft keine ökologische Nische, macht nur unsympathisch.

Eigentlich sind Anfänge furchtbar. Enden kann man selten versauen. Entweder es gibt ein Happy End, was Versautes oder ein versautes Happy End. Easy.
Aber Anfänge. Die rühmen sich so ekelhaft mit ihrer Vermeintlichkeit. Vermeintlich ist alles möglich. Nix entschieden, Ende offen.

Und die 3-Sekunden-Regel?
Essen, was auf den Boden gefallen ist, kannst du ruhig essen. Das gleiche gilt für Leute. Die, die du nach 3 Sekunden noch nicht gefressen hast, findest du danach auch nicht zum kotzen. Wünschenswerterweise. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.

Ob ihr euch mit diesem neuen Blog anfreunden werdet, weiß ich nicht. Aber es interessiert mich. Ich bin noch nicht am Ende. Obwohl auch jedem Ende ein Anfang innewohnt.

 

Horror vacui

Horror vacui

Schnappkuss.

 

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