„Was ist los?“, fragst du, worauf ich wieder keine Antwort weiß. Es ist nicht so, dass ich dir irgendwas verheimlichen wollen würde. Ich weiß es wirklich nicht. Es ist doch immer irgendwas los. Guck dich doch um. Aber das macht müde, dieses Umgucken. Und andererseits macht es unfassbar wach, wenn wir zulassen, was wir sehen.
Wenn ich jetzt darüber nachdenke, will ich lossprudeln und dir alles erzählen. Es braust in meiner Brust auf. Ich denke, das ist ein Gefühl. Was Gutes, was verdammt Gutes, aber wenn ich die Worte dafür finden soll, ist das nicht genug. Ich bin voller schöner Bilder. Die sind los und lassen mich nicht los.
Heute hat es viel geregnet. Zwischendurch schien die Sonne heiß durch die Straßen. Auf einem kleinen Mäuerchen sitzt eine Frau mit geschlossenen Augen. Sie sieht ernst aus, aber auch glücklich. In ihrer Hand hält sie ein Eishörnchen. Das schmelzende Eis läuft ihre Hand herab. Irgendetwas an diesem Bild macht mich sehr traurig und dann wieder froh. Wahrscheinlich sind das diese geschlossenen Lider, diese Genießende, die sich um nichts kümmert als darum, dass endlich einmal die Sonne scheint. Währenddessen zerrinnt ihr Eis. Das, was sie sich gönnen wollte, zerfließt. Die Genüsse kollidieren.
„Ich denke an eine Frau, die ich heute gesehen habe. Ich weiß nicht, warum sie mir jetzt wieder einfällt. Es war eigentlich nichts Besonderes.“ –
„Und doch erinnerst du dich an sie. Was war mit ihr?“
„Nichts. Es war nichts mit ihr. Sie saß in der Sonne und ihr Eis ist geschmolzen. Das wars schon.“
„Und dann hast du sie darauf aufmerksam gemacht?“
„Wir haben nicht geredet. Ich habe sie mir angesehen, als würde sie im Museum hängen. So was macht man nicht, oder?“
„Na ja, also… Du hast ihr nicht gesagt, dass ihr Eis abschmiert?“
„Ich habe gar nichts gesagt, sagte ich doch. Meinst du, ich habe sie gestört? Ich stand einfach da und habe ihr zugesehen. Es ist bescheuert. Ich komme mir jetzt vor wie ein Eindringling.“
„Hättest du sie mal gestört. Bestimmt hatte sie später überall Eisflecken.“
Als ich mit dem Fahrrad durch den Park fuhr, sah ich einen Jungen, wie er vor einer Taube saß. Im Schneidersitz hat er vor dem Vogel gesessen und ihm etwas gesagt. Es sah aus wie ein Diktat. So als sagte der Junge zur Taube, es wäre nun angemessen, das ständige Herumscheißen zu unterlassen und sich wie ein manierlicher Vogel zu benehmen. Das solle sie sich merken, die Taube.
„Du denkst doch wieder irgendwas.“
„Natürlich denke ich. Kannst du das etwa abschalten?“
„Manchmal wünsche ich mir das. Leider ist das unmöglich. Manche Menschen können das sicherlich. Wenn ich mir diese Stadt so angucke, vermute ich, in der Abteilung Stadtplanung arbeiten da so manche Blitzbirnen mit dieser herrlichen Eigenschaft…“
„Mmmh. Furchtbare Radwege. Du hast recht. Meinst du, dass es irgendwelche Tiere gibt, die verstehen, was wir zu ihnen sagen?“
„Wie kommst du denn jetzt darauf?“
„Das war mein Gedanke von eben.“
„Interessant. Ich glaube, eher nicht.“
„Meinst du, wenn Kinder mit ihnen reden, ist die Chance größer?“
„Das… hm. Wie kommst du drauf?“
„Ach. Sie machen zumindest den Eindruck, als gäben sie sich mehr Mühe verständlich zu sein. Erwachsene mühen sie eher für das Gegenteil ab. Findest du nicht?“
Manchmal gucke ich mich um. Doch, doch. Aber ich verstehe wenig. Ich habe Fragen an das, was ich sehe. Die meisten Fragen sind aber eher ein Boomerang und fliegen zurück an mich. Manchmal frage ich mich, warum ich mich das frage und mich nicht für die Klausur in 15 Tagen vorbereite. Die Deadlinejunkies unter uns lachen über 15 Tage. Was wieder einige Fragen aufwirft.